Anarchismus von Voltairine De Cleyre, 1901 Chicago

In ihrem Text „Anarchismus“ aus dem Jahr 1901 drückt die Poetin deCleyre am Schönsten aus, was sie unter dieser Idee versteht:

„Ein für allemal zu erkennen, dass man nicht ein Bündel wohlgeordneter kleiner Verstandesgründe im Vorderstübchen des Gehirns ist, das Predigten braucht und mit Schulbuchweisheiten in Ordnung gehalten werden muss oder durch Spitzfindigkeiten in Bewegung gesetzt und angehalten,

sondern eine bodenlose Tiefe voll fremdartiger Empfindungen, ein aufgewühltes Meer des Fühlens, wo unaufhörlich Stürme unerklärlicher Wut und unerklärlichen Hasses toben,

unsichtbare Verkrümmungen der Enttäuschung, Niedrigwasser der Gemeinheit, unkontrollierbare Erschütterungen der Liebe,

ein Sehnen, Stöhnen, Schluchzen, die das innere Ohr quälen, das sich zum ersten Mal herabbeugt um zu lauschen:

als würde sich alle Traurigkeit des Meeres mit dem Wehklagen der großen Pinienwälder des Nordens vereinen, um gemeinsam in jener Stille Tränen zu vergießen, die du allein hören kannst.

Dort hinunter zu sehen, die Dunkelheit zu kennen, die Mitternacht, die tote Zeit im Innern, den Urwald und die Bestie drinnen zu fühlen – und den Sumpf und den Morast, die trostlose Wüste der Verzweiflung des Herzens –

dies zu sehen, zu wissen, zu fühlen aufs Äußerste und dann einen Blick auf den Mitmenschen werfen, wie er einem in der Straßenbahn gegenüber sitzt, so schicklich, so aufgeputzt, so nett gekämmt, gebürstet und gekremt, und sich fragen, was unter dieser gewöhnlichen Oberfläche liegt,

sich die Höhle in seinem Innern vorzustellen, die irgendwo in der Tiefe einen engen Durchgang zu deiner eigenen hat– sich den Schmerz vorzustellen, der ihn womöglich bis in die Fingerspitzen hinein foltert, während er diese gesetzte Eisenpanzer-Miene zur Schau trägt –

sich auszumalen, wie auch er innerlich zittert, sich windet und vor jener Lava des Herzens flieht und in seinem Gefängnis leidet und nicht wagt, sich selbst zu sehen, sich respektvoll von der Eingangspforte des einfachsten und wenig versprechenden Wesens zurückzuziehen, selbst des unwürdigsten Verbrechers,

weil man die Nichtigkeit und den Verbrecher in einem selbst kennt, auf jede Ablehnung zu verzichten (umso mehr auf Prozess und Verurteilung),

weil man weiß, aus welchem Stoff der Mensch gemacht ist und vor nichts zurückweicht, weil alles auch in einem selbst ist – das kann Anarchismus für dich bedeuten. Für mich bedeutet er das.

http://dadaweb.de/espero/espero_NF_001_2020-06.pdf S. 33


Bei der Bakunin-Hütte in Meiningen waren auch Erich Mühsam und viele Anarchisten zu Gast, der Meininger Wanderverein Bakuninhütte erhielt den Erich-Mühsam-Förderpreis https://bakuninhuette.de/termin/erich-muehsam-und-die-anarchistischen-gruppen-in-berlin-eine-spurensuche-rund-um-den-hackeschen-markt-preisverleihung-der-erich-muehsam-gesellschaft/

Erich Mühsam war in den frühen 1930er Jahren in Meiningen auf der Hütte und schrieb etliche Postkarten, auch an Zenzl in Berlin, wo er nach der Ausbürgerung aus Baiern in der Hufeisen-Siedlung lebte.

Erich Mühsam und Meiningen:

Ich hatte die Ehre, dort als Referent eingeladen zu sein, und im Verein im Rats-Saal von den Arbeiten um die Räterepublik in München zu berichten. Sie hatten einen Bericht und einen Film davon gemacht, der auch auf der Seite zu finden ist:

http://bakuninhuette.de/termin/muenchner-raeterepublik-und-gruendung-des-freistaats-bayern-vor-100-jahren/

meine Bakunin-Baustelle: http://wiki.eineweltnetz.org/doku.php?id=michail_bakunin

xund bleim, radio hörn, fritz


-------- Weitergeleitete Nachricht --------
Betreff: MDR-Hörfunkfeature: 100 Jahre Bakuninhütte Meiningen (auch podcast)
Datum: Sat, 20 Jun 2020 22:46:51 +0200
Von: Libertarian Press Agency <lpa_berlin@email.de>


 
Kulturnacht: 100 Jahre Bakunin Hütte in Meiningen | MDR.DE
 
 

Kulturnacht: 100 Jahre Bakunin Hütte in Meiningen | MDR.DE

Bei Anarchisten denkt man vielleicht an Hippies, die 68er-Bewegung oder gar an die RAF. Bei Meiningen bauten sie...

 

https://bakuninhuette.de/

 
 

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