Pädagogik der Zärtlichkeit - Hans-Martin Große Oetringhaus in zfbp 8 - 1995
Hans-Martin Große Oetringhaus
Pädagogik der Zärtlichkeit
Kinder und Pädagogen in Lateinamerika suchen nach neuen Wegen
Powerkids
"Se siente! Se siente!
Aqui estamos presentes!"
Der Ruf von 130 hellen Kinderstimmen schallt durch die Straßen der bolivianischen Großstadt Cochabamba.
"Man merkt es! Man merkt es! Wir sind da!"
Man merkt es tatsächlich. Die Kinder sind laut, fröhlich und voller Energie. Und sie fordern ihre Rechte ein: zunächst einmal das Recht, überhaupt angehört zu werden.
Selbst jene, die am Straßenrand versuchen, so zu tun, als ob die zahllosen Transparente, die in allen Farben leuchten, gar nicht vorhanden wären, haben keine Chance, dem Spektakel auszuweichen. Schuhputzjungen knien sich vor sie hin und beginnen, ihre Schuhe zu polieren. Doch schon kommt die Polizei, brüllt, jagt die Jungen fort, schlägt sogar mit dem Knüppel zu. Andere mischen sich ein, ergreifen Partei für die Jungen, fordern die Passanten auf, sich ebenfalls für die Rechte der Jungen einzusetzen. Viele sind irritiert und wirken verunsichert. Und genau das wollen die jungen Menschen erreichen. Bis die Passanten gemerkt haben, daß sie selbst Mitakteure eines versteckten Straßentheaters sind, ist der lärmende Zug längst weitergezogen. Die Schuhputzjungen polieren bereits neue Schuhe und die vermeintlichen Polizisten stürzen schon wieder drohend herbei.
Zwei Clowns an der Spitze des Zuges sorgen dafür, daß die übermütige Power, die die Kinder ausstrahlen, nie erlahmt. Sie stürmen mit einer Handvoll Kindern bis zur nächsten Straßenkreuzung vor, tanzen im Kreis, blockieren die Straße und warten, bis der lärmende Rest nachgekommen ist.
"Nino que escuchas; úntete a la lucha!
-Kind, hör zu, schließ dich dem Kampf an!"
Kinderrechte
Der Kampf, dem sich die Kinder verschrieben haben, ist der um ihre eigenen Rechte. Sie wissen, daß die Kinderrechte, die ihnen die Vereinten Nationen in einer Kinderrechtskonvention zugestanden haben, nicht viel nützen, wenn sie lediglich auf dem Papier stehen.
Die Kinder können viel aus ihrem Alltag berichten und erzählen, wie diese Rechte tagtäglich mit Füßen getreten werden. Gerade darum setzen sie sich für die Einhaltung der Kinderrechte ein, in Cochabamba genauso wie in La Paz, in Santa Cruz oder auf dem Land, in den Bergen wie im bolivianischen Tiefland. Überall schließen sich Kinder zusammen und setzen sich aktiv für ihre Rechte ein.
Jetzt sind sie nach Cochabamba gekommen, um ihre Erfahrungen auszutauschen und Pläne für die Zukunft zu schmieden. Denn nach der Demonstration geht es an die Arbeit. Für drei Tage sind die aktiven Kids zwischen acht und 18 Jahren zusammengekommen. Sie wollen ihr Schicksal nicht allein in den Händen von Erwachsenen sehen, sondern es vielmehr in die eigenen Hände nehmen.
Auch das Treffen gestalten sie selbst. Der erste Tag ist dem Thema Sexualität, der zweite dem Thema Organisation und Partizipation gewidmet, nach einem Plenum teilen sich alle in Altersgruppen auf. Die Jüngeren nähern sich der Thematik, indem sie aus Ton modellieren, wie sie sich das Recht auf ein Dach über dem Kopf vorstellen.
Oder sie schneiden Bilder aus Illustrierten und kleben Collagen zusammen. Die Älteren diskutieren und entwickeln kurze Sketche und Szenen. Im anschließenden Plenum wird alles vorgestellt und gemeinsam besprochen. Partizipation?
Was sich zunächst sehr kompliziert und theoretisch anhört, wird plötzlich ganz einfach und konkret. "Partizipation", erklärt ein Mädchen, "bedeutet, an etwas teilzunehmen, was uns ganz persönlich angeht und betrifft."
"Und es heißt auch, die Ideen jedes einzelnen aufzunehmen", fügt ein Junge hinzu. Die Erfahrungen ihres noch kurzen Lebens ist klar:" Es ist besser, sich in Gruppen zu organisieren. Dann ist es einfacher, etwas zu erreichen."
Die Szenen, die die Kinder vorspielen, lassen daran keinen Zweifel aufkommen. Sie setzen sich beim Bürgermeister für sauberes Wasser und eine bessere Krankenversorgung ein. Schuhputzjungen wehren sich gegen Kunden, die sie schlecht behandeln. Betrunkene und schlagende Väter stoßen auf Widerstand.
Jedes Kind kann seine eigene, ganz besondere Geschichte erzählen. Zum Beispiel Richard Zenteno Gutirrez, der Eismacher, hat mit seinem 15 Jahren bereits eine Menge Erfahrungen gesammelt. Er kommt aus Santa Cruz.
Die Kindergruppe, in der er mitmacht, hat sich nach der traditionellen andinen Gemeinschaftsarbeit "minka" benannt. Ziel der 20 Kinder und Jugendlichen der Gruppe ist es, sich um andere Kinder zu kümmern, die kein Zuhause haben. Im Augenblick betreuen sie etwa 25 Kinder.
Einige, die von Zuhause fortgelaufen sind, versuchen sie zu überreden, zurückzukehren. "Das ist eine ganz schwierige Überzeugungsarbeit", gibt Richard zu. Die Gruppe versucht auch, mit den Eltern Kontakt aufzunehmen und ihnen ins Gewissen zu reden, ihre Kinder besser zu behandeln. Zwei Kinder der Gruppe betreuen Kleinkinder von Eltern, die tagsüber arbeiten müssen.
Es ist seine Freizeit, die Richard für dieses Engagement opfert. Nach der 7. Klasse mußte er nämlich die Schule verlassen. Jetzt arbeitet er in einer Eisdiele. Um sechs Uhr in der Frühe beginnt er, die Eiscreme anzurühren.
Bis zehn Uhr ist er damit fertig. Nachmittags und abends arbeitet er nochmals von 16 bis 22 Uhr. Die Zeit dazwischen nutzt er, um sich in der Gruppe zu engagieren. Von seinem Verdienst bezahlt er das Schulmaterial für seine drei jüngeren Geschwister. Was er übrig behält, steckt er in die Arbeit der Minka-Gruppe.
"Begleiter" oder "Ermöglicher"?
Während die Kinder und Jugendlichen ihre Lebenserfahrungen aufarbeiten, haben sich die Erzieherinnen und Erzieher aus den verschiedenen Projekten ebenfalls zusammengetan, um darüber zu sprechen, wie ihre zukünftige Rolle aussehen kann.
Die neue Selbständigkeit und das Selbstbewußtsein der Kinder haben ihre traditionelle Rolle nämlich gründlich in Frage gestellt und sie verunsichert. Während die Kinder alleine tagen, fragen sich die Erzieher "worin liegt jetzt eigentlich noch unsere Aufgabe?"
Den alten Paternalismus haben sie abgelegt. Aber was kann an seine Stelle treten? Sie sollten "faciladores" sein, "Ermöglicher" der Selbstorganisation der Kinder, sagen die einen. Oder doch eher "acompanantes" geben andere zu bedenken, "Begleiter", die eine enge persönliche Beziehung zu den Kindern herstellen.
Vielleicht auch beides, je nach Alter der Kinder. Ein Erzieher bringt ein Beispiel: "Da haben die Kinder eines aus ihrer Mitte als Presse- Kontaktperson gewählt. Das kommt jetzt zu uns und fragt, wie man das macht. Hier müssen wir helfen und begleiten. Die Entscheidung aber ist von den Kindern ganz alleine gefällt worden."
"Auf jeden Fall müssen wir den Kindern nicht immer erzählen, was sie zu tun oder zu lassen haben" stellt ein Lehrer selbstkritisch fest. "Das wissen sie schon alleine. Wir müssen vor allem unsere eigene Rolle erkennen."
Fast alle stimmen zu. "Die Kinder haben eine Form gefunden, sich zu organisieren, ihre Angelegenheiten in die eigenen Hände zu nehmen. Darin sind sie weiter als wir Erzieher." Solche Selbstkritik ist noch längst nicht selbstverständlich. "Wir haben noch keinen Weg gefunden, uns als Erzieher selbst weiter zu entwickeln und uns zu organisieren."
Die Forderung nach einer besseren Ausbildung und einer effektiven Selbstorganisation ist schnell gestellt. Das allerdings kann zu Konflikten mit den Direktoren führen, was einige bereits schmerzlich erfahren haben. Und es stellt ungewöhnliche Ansprüche an die Pädagogen selbst.
Ein Erfahrungsaustausch über konkrete pädagogische Alltagsprobleme war für sie bisher ziemlich unüblich. Ein neues Rollenverständnis zu finden kann Bewegung in festgefahrene Strukturen bringen und viele neue Fragen aufwerfen.
Kampagne für die Kinderrechte
Die eigene Rolle neu zu bestimmen, war die Aufgabe einer Kampagne in Lateinamerika zur Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen, die die Kinderhilfsorganisation terre des hommes angeregt und tatkräftig unterstützt hat.
Dabei ging es darum, "den Kindern eine Stimme zu geben", die jungen Betroffenen selbst zu Wort kommen zu lassen. Sie sollten ihre Erfahrungen austauschen und voneinander lernen können, sich selber als aktive Kinder verstehen.
Das Schlagwort lautet PROTAGONISMO INFANTIL, SELBSTBESTIMMUNG DER KINDER.
Kinder haben eigene Ausdrucks- und Handlungsmöglichkeiten, sich für ihre Rechte einzusetzen. Der bereits begonnene Organisierungsprozeß unter den Kindern sollte gestärkt werden.
Vier thematisch ausgerichtete überregionale Treffen und vier regionale Treffen und eine zweimonatige Vorbereitungszeit zum Training für die Jugendlichen, die das bolivianische nationale Abschlußtreffen in Cochabamba leiteten, haben den Willen zur Selbstorganisation vorangetrieben.
Ähnliche Ergebnisse zeigte die von Terre de Hommes geförderte Kampagne in sechs anderen Ländern Lateinamerikas, z.B. in Peru. Hier haben sich ein paar Tage später Kinder und Erzieher zusammengefunden, um ihre Erfahrungen im Engagement für die Kinderrechte auszutauschen und auszuwerten.
Einen Tag zuvor sind zahlreiche Lehrerinnen und Lehrer mit Unterstützung von Tdh zusammengekommen, um nach neuen methodisch-didaktischen Wegen zu suchen und um ihre Rolle als Pädagogen neu zu bestimmen.
In Gruppenarbeit und durch die Entwicklung kleiner Szenen versuchen sie, ihre eigene Situation und ihre Probleme zu erkennen und zu erklären und neue pädagogische Muster zu entwickeln.
Der engagierte und dynamische Pädagoge Alejandro Cussianovich vom peruanischen Institut für Volkspädagogik schafft es, sie dabei aus ihren traditionellen Denkmustern herauszureißen. Dabei bedient er sich einer ungewohnten, provozierenden Begrifflichkeit und fordert eine Pädagogik der Zärtlichkeit.
Pädagogik der Zärtlichkeit
"Es ist dringend notwendig", meint Alejandro Cussiánovich, "eine salud mental zu entwickeln." Damit meint er nicht etwa eine geistige Gesundheit, sondern vielmehr ein "seelisch-geistiges Gewebe, das neu geknüpft werden muß."
Er macht schnell klar, wie er sich das vorstellt. Das Wichtigste sei, den Menschen als Subjekt zu sehen, als Subjekt, das Rechte hat, Respekt verdient und dem mit Würde begegnet werden muß.
Das gelte natürlich auch für Kinder. Auf keinen Fall dürfe das Kind als beschränktes Wesen und lediglich als Opfer gesehen werden. Vielmehr müßten sich alle Pädagogen ein neues Bild vom Kind machen.
Dazu "brauchen wir einen neuen pädagogischen Ansatz. Neue Methoden müssen entwickelt werden, denn die Pädagogik ist steckengeblieben. Sie steckt in der Krise. Wir brauchen eine pädagogische Erneuerung."
Wie diese aussehen muß, ist für Cussiánovich klar: "Erziehung muß im Geiste der Kinderrechte betrieben werden." Und das bedeutet Erziehung in sozialer Verantwortung. Den Begriff, den er dabei in den pädagogischen Diskurs einführt, macht zunächst stutzig: "Pädagogik der Zärtlichkeit".
Dabei unterscheidet er zwei Charakteristika: Eros und Agape. "Eros bedeutet Liebe, ist der Hang zum Leben gegen alles, was Negierung bedeutet. Eros ist ein Anstoß der Seele, voller libidinöser Kraft.
"Das Risiko, das im Eros liege, sei seine Instrumentalisier-barkeit." Agape dagegen ist die Passion, die Vertiefung der Liebe. Es ist die Fähigkeit, sich zu begegnen."
Beides, so beschwört Cussiánovich, müsse die Erziehung durchdringen und zu einer "Pädagogik der Zärtlichkeit" führen. Ohne Zärtlichkeit, d.h. ohne Freude und Enthusiasmus könne kein pädagogischer Bezug zwischen Lehrer und Schüler gelingen. Wichtig vor allem sei eines: "Zärtlichkeit ist unverträglich mit allem, was den Menschen zum Instrument degradiert."
In einer Gesellschaft wie der Lateinamerikas, muß eine solche Begrifflichkeit zu Mißverständnissen und Widerständen führen. Cussiánovich weiß das genau und versucht dem vorwegzugreifen.
Zärtlichkeit sei leider feminisiert und infantilisiert, verweiblicht und verkindlicht worden. Beides wirke hemmend auf die Pädagogen und verleite "zur Negierung der Zärtlichkeit als wichtiges Merkmal einer demokratischen Gesellschaft."
Um aktiv Handelnde, um Protagonisten werden zu können, bedürfe es der Zärtlichkeit. Nicht zuletzt gelte das für Pädagogen. Lehrerinnen und Lehrer können nur "in Liebe" wirkliche Pädagogen sein. "Sie soll Ausdruck der Fähigkeit sein, daß Menschen andere Menschen erreichen können.
Hierbei soll die alte andine Symbiose verwirklicht werden: Geben um zu bekommen." Gerade Pädagogen könnten viel von Kindern lernen. Der Pädagoge entwickele sich im Umgang mit Kindern und in der Zärtlichkeit zu ihnen weiter.
Dann werde er seine Rolle neu definieren können, als Promotor einer Erziehung, die soziale Militanz darstellt. Eine so verstandene Pädagogik der Zärtlichkeit müsse dazu beitragen, daß "die erwachsenen-zentrierte Gesellschaft das Kind nicht länger daran hindert, seine soziale Rolle zu erfüllen." Also: Kinderrechte als Paradigma für die Pädagogik.
Bewegung
Das neue Selbstbewußtsein der Kinder und Jugendlichen und ihr Wille, sich zusammenzuschließen, um sich gemeinsam für ihre Rechte einzusetzen, ist während der Treffen in Cochabamba und Ayacucho (Peru) überall zu spüren; beim Umgang miteinander, beim Arbeiten, Essen, Spielen und Diskutieren.
Wer Probleme mit dem Reden am Mikrophon hat, wird von den anderen nicht ausgelacht, sondern erhält mutmachende Unterstützung. Die Freude und Begeisterung, die die Kinder ausstrahlen, kann anderen Lust und Mut machen, sich ebenfalls für sich und die eigenen Rechte einzusetzen.
Und auch den Pädagogen ist anzumerken, daß bei ihnen vieles in Bewegung gekommen ist. In den von TdH unterstützen Projekten ist ein Prozeß in Gang gekommen, der viel Dynamik freisetzt.
In Bolivien hat die Kampagne sogar erreicht, daß das Thema in die akademische Diskussion aufgenommen und an der Universität von La Paz ein Kurs zum Thema Kinderrechte eingerichtet wurde.
Jetzt bietet sie ein sechsmonatiges Zusatzstudium zu Kinderrechten an. Ein Großteil jener Erzieherinnen und Erzieher, die bei der Kampagne mitgemacht haben, nehmen jetzt an diesem Studiengang teil.
Die Bewegung pflanzt sich fort wie bei einem Stein, der ins Wasser geworden wurde. Ein Stück Hoffnung wächst. Man kann es spüren.
(Anmerkung: Weitere Information über Projekte im Bereich der arbeitenden Kinder, Kinderselbstorganisation gibt es bei: Terre des hommes, Osnabrück.)
Als Verstärkung oder Diskussionsbeiträge sollen die folgenden Kurzaussagen o.g. Beitrag ergänzen:
Adolf Grimme setzt sich kritisch mit der Wissensvermittlung auseinander..." dann müssen Sie mit dem Worte des Zeitalters einer bloßen Gehirnkultur, das der Bildungsarbeit eines ganzen Jahrhunderts den Stempel aufgedrückt hat, das man wie ein Dogma hinnahm, brechen.
Ich meine das von der Idee der Bildung her gesehen so verheerend fassadenhafte Wort: Wissen ist Macht, dieses Erbstück einer aufklärerischen Wissenschaftsgläubigkeit. Es kommt nicht auf die Entfaltung bloßer intellektueller Fähigkeiten an..."
Wissen hat nur Bildungswert, wenn es in Haltung umgesetzt ist. Alles Wissen hat Bildungswert nur dann, wenn es dem letzten Ziel der Bildung dient. Und was ist dieses Ziel? Gestaltwerdung der menschlichen Person, das höchste Glück der Erdenkinder: die Persönlichkeit. Und Persönlichkeit ist, wer Haltung hat." (das forum, VHS-Bayern, Heft 2/95)
J.F. Harthemeyer: "Fred Kofmann und Peter Senge haben in einem mehrjähigen spannendem Prozeß am Organizational-Learning-Center des MIT versucht, hinter das Geheimnis der fehlenden Kreativität zu kommen:
Das herrschende Paradigma zeichne sich allem modernistischen Gerede von Ganzheit zum Trotz immer noch durch mechanistisches, partikularistisches, zergliedertes Denken aus, sei von Konkurrenz geprägt und agiere zunächst statt mit Offenheit mit Blockade.
Das führt zu den Hauptfragen, die jede Organisation und jedes Individuum für sich beantworten müsse:
* Warum begegnen wir häufig Lernmöglichkeiten mit Angst und Abwehr, statt mit wundernder Neugierde?
* Warum empfinden wir es für unsere Selbstachtung wichtiger, etwas zu wissen als etwas zu lernen?
* Warum haben wir die Tendenz, zu kritisieren, bevor wir etwas wirklich verstanden haben?
* Warum befassen wir uns vorrangig mit bürokratischen Problemen, wenn wir versuchen uns visionären Herausforderungen zu stellen?
(J.F. Harthemeyer: Fragen sind es, wodurch das, was bleibt, entsteht. In: Das Forum, VHS-Bayern, München 4/95)
PEDAGOGIA DE LA ESPERANZA -
PÄDAGOGIK DER HOFFNUNG
heißt eine Institution in Monetevideo (Uruguay), die 1987 gegründet wurde, als Antwort auf Mißerfolge der Erwachsenen- und Jugendarbeit in den Erziehungseinrichtungen des formalen Systems.
Sie ging aus von einer Gruppe ErzieherInnen und Fachleuten, die in öffentlichen oder privaten Institutionen mit Marginalisierten und/oder Verlassenen arbeiten wie: Hogar Estudiantil del Instituto Nacional del Menor, Movimiento Volpe, Hogar La Frontera, El Yunque...
Man begann die verschiedenen Ausbildungs-alternativen in Montevideo für Kinder und Jugendliche zu untersuchen, die üblicherweise vom formalen Erziehungssystem getrennt sind.
Als Resultat dieses ersten Arbeitsjahres wurde eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe gebildet, zur Erarbeitung erzieherischer Regeln und einer gemeinsamen Philosophie und zur Ausarbeitung eines Projekts, welches an die verlassensten Erwachsenen und Jugendlichen in Montevideo gerichtet war.
1988 errichtete man einige Werkstätten in einem geliehenen Raum. Von diesem Zeit an entwickelte man viermonatige aufeinander-folgende Kurse.
Einen wesentlichen Wechsel bei der teilnehmenden Bevölkerung gab es Mitte 1988 mit der Integration von Jungen und Mädchen von der Straße in die Aktivitäten des Programms...
Zielvorstellungen:
1. Raum zur Reflexion schaffen, Untersuchungen und Systematisierung über erzieherische Alternativen für die Kinder und Erwachsenen der Volkssektoren - speziell außerhalb der formalen Erziehung.
2. Entwicklung von Aktivitäten und Ausbildungs-Förderungswerkstätten mit Kindern und Jugendlichen. Dabei wird denjenigen Kindern und Jugendlichen Vorrang eingeräumt, die aus ungünstigen sozialen Bereichen kommen (Armenviertel, Straßenkinder, Heimkinder, etc.).
3. Teilnahme an den Bemühungen und Aktivitäten verschiedener Institutionen, die in der Förderung und Verteidigung der Rechte der Kinder tätig sind...
Die Werkstätten "Pädagogik der Hoffnung" dienen auch dazu, daß in mehrmonatlichen Programmen Fortbildungen für Jungendliche und Erwachsene angeboten werden, die dazu dienen sollen, daß diese kleine Arbeitsprojekte aufmachen können und so mehr Chancen für ihren Lebensunterhalt haben...
Anja Schön (Frankfurt)
"Gemeinsamer Nenner in der Politischen Bildung".
Die drei Grundprinzipien:
1. Überwältigungsverbot.
Es ist nicht erlaubt, den Schüler - mit welchen Mitteln auch immer - im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der Gewinnung eines selbständigen Urteils zu hindern.
2. Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muß auch im Unterricht kontrovers erscheinen. Diese Forderung ist mit der vorgenannten aufs engste verknüpft, denn wenn unterschiedliche Standpunkte unter den Tisch fallen, Optionen unterschlagen werden, Alternativen unerörtert bleiben, ist der Weg zur Indoktrination beschritten.
3. Der Schüler muß in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und seine eigene Interessenslage zu analysieren, sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene politische Lage im Sinne seiner Interessen zu beeinflussen..."
Université de Paix
"We share with your institution the fundamental aim of promoting peace trough non-violent solutions of conflicts. In this framework wo would like to suggest to join our forces and capacties in an important initiative towards the United Nations. The substance of this initiative is outlined in the attached paper, which has just been endorsed by our Board.
This paper is self-explanatory, in respect both of the aim and content of our idea. We are submitting it also to a few other like-minded, specialised institutions belonging to different countries, in order to set up an international, higly qualified network.
In a concrete way, we would like to propose that we jointly sumit this initiative to the Secretary General of the United nations, before the end of this year. if it is then accepted, we would work together to cary out the studies planed in it.
I would be most grateful if you could let me know your reaction , with respect to the initiative itself and too the content of the attached paper, as well as to your possible participation in the network of institutions which will promote it and carry it out.
Looking forward to hear from you, I remain, yours sincerley Mireille Jacquet, Secretary General.
PROMOTING PEAC
At the end of a twentieth century burdened by violence and destruction in many areas of the world, in the perspective of a twenty-first century menacing to be no more than a continuation of the former, what can be done to acclerate and reinforce the building of a social and political frame guaranteeing to each human the respect of his dignity in a peaceful environment?
Such a frame, in our planetary world, should necessarily be universal. Hence, the adequte forum tu build up that frame is the United Nations Organisation, on condition the latter ist provided with the authority and the means to enforce it.
The responsibility of the political decision-makers would be engaged in it, as weil ar international level as at regional and national level (States, but also peoples and non-statal organisations).
That is why we have taken initiative to promote the idea of a WORD CONFERENCE FOR PEACE, including the participation of the hedas of states an of international organisations, under the auspices of the United Nations, in the year 2000 (the symbolical meaning of wich does not need to be demonstrated).
The aim of this Conference would be to carry out a significant progress in building up conditions for world peace in the twenty-first century, guaranteeing at last respect and security for all human beings. The pitfall of a mere public show, only adding to the numerous goodwill declarations without real effects, should be avoided. This will require, among others, a serious preparation.
Such a preparation would include a scientific analysis of the conflicts in the twentiehs century. It should trow light on the deep reoots of those conflicts and on the roles played in them by economic, social, political, cultural and psychological factors... It sholuld also evaluate the vorious wasy by wich they have been mastered, with more or less succes.
In order to draw practical lessons from thes studies, these would probably have to be carried out at a regional level, so that the reality of the different contexts would not be negiected. This will requiere the participation of a network of specialised research institutions, possibly coordinated by the United Nations university.
The different Universities of Peace in the world could bring their contribution, as well as the academic peace studies institutes. On the basis of those studies, proposals of measures enforcing peace more effectively after the year 2000 should be made, and be dicussed at the World Conference for Peace. The resulting commitments would form a vast Programme for Peace.
As to the content of this Programme, many ways are known already to protect the dignity and the security of all human beeings and peoples. The recent Agenda for Peace of Mr. Boutros Boutros-Ghali, General Secretary of the United Nations, already provides some major elements of what such a Programme could be.
They should be complieted and structured in a coherent manner, and the mechanisms and means required to enforce them effectively should be implemented. As for the fields to be covered, one could already mention observation, early warning and early action on conflictual situations all over the world, strict control of arms production and sale, repression of propaganda promoting violence, peace education and Human Rights protection, etc.
The principle of national sovereignty itself, raised so forten as an obstacle to the enforcement of an efficient world peace system, has lost a lot of the absolute, character nineteenty century international law conferred to it. Over the last fifty years, national sovereignty has been more and more restricted, both in fact and in law, by a political and legal system still in search for a comprehensive structure.
This system is yet far from complete; its enforcement is still submitted to the goodwill of the great powers and to the pressures of the major economic powers. Hence, it is the duty of the political decision-makers to commit themselves in building up, at last, a world system protecting peace and the rigths of all humans.
The first decesion has to be taken by the General Assembly of the United Nations, to organise a World Conference for Peace in the year 2000 and to start the preparation of the Programme for Peace, which should be discused at it".
Charles J. van der Vaeren, President of Oxfam-Belgium, Member of the Board of Directors of the University of Peace and of the Robert Schumann Institute for Europe. Bei Mitmach-Interesse bitte wenden an Université de Paix, Boulevard du Nord, 4, B 5000 Namur - Belgien.
Seminare - Veranstaltungen
Paulo Freire Gesellschaft und Umkreis
15.2.-18.2. 96: Methoden und Hilfen für die Arbeit mit Frauen in Gewaltsituationen (mit Susana Pendzik, Mexico-Israel). Bad Abbach bei Regensburg.
1.3.-3.3.96: Von der "Pädagogik der Unterdrückten" zur "Pädagogik der Hoffnung". Seminar zur Weiterentwicklung der befreienden Pädagogik für MultiplikatorInnen aus der Bildungsarbeit. Jugendakademie Walberberg. Auskunft und Anmeldung: Jugendakademie Walberberg oder PFG
8.-9.3.96: "Lust" - Theaterseminare, u.a. Lust und Kirche... München Black Box - VHS. Fritz Letsch, PFG, s.o.
5.-7.4.96: Auch offene Grenzen haben ihre Grenzen - deutsch-tschechisches Theaterseminar. Auskunft: Alwin Baumert, Deinsdorf 1, 91249 Weigendorf
10.-13.4. Vertiefende workshops: Europäisches Treffen der Theaterpädagogen. Auskunft: PFG (Fritz Letsch)
4.-5.5. Es braucht Mut um glücklich zu sein. VHS Herrsching, Leitung Holder Ehlerding Auskunft: PFG, s.o.
10.-12.5.96: Praktikum in der 3. Welt?! Vorbereitungsseminar Nürnberg. AG SPAK, München
Weitere:
27.1. in Mannheim: Nachhaltige Entwicklung - neue Perspektive der Entwicklungspolitik oder Verschleiern von Interessenkonflikten? Aktion Selbstbesteuerung. Infos: Reinhard Beeker, Langstr. 77, 68169 Mannheim.
9.-11.2.96, Freudenberg: Genossenschaften in der Dritten Welt - Auslaufmodell oder Chance auf eine nachhaltige Entwicklung. Info & Anmeldung: TAK AÖ, Burkhard Flieger, Erwinstr. 29, 79102 Freiburg
12.-14.2. in Bad Boll: Menschenrechte gegen Armut. Die Durchsetzung der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Menschenrechte als neue Strategie der weltweiten Armutsbekämpfung. Anmeldung: Evang. Akademie Bad Boll, Akademieweg 11, 73087 Bad Boll
24.-29.3. in Niederkaufingen (b. Kassel): Besser leben - was ist das? Bedeutung von Arbeit, Zeit, Lebensqualität. Auskunft (da ist auch das Seminarangebot 96 erhältlich): Tagungs-u. Begegnungshaus Niederkaufungen, Kirchweg 1, 34260 Kaufungen.
26.-28.4.96 in Niederalteich: "Wasser auf die Mühlen..." - Methoden der Lobby-Arbeit. Seminar zur entwicklungsbezogenen Bildungsarbeit. Anmeldung: AEEB-Landesstelle, Hauptstr. 67, 82327 Tutzing
26.5.-1.6. Maloja "Die Revolution 1848" Auskunft: Salecina, CH-7516 Maloja,
19.-28.7.96, Blankenheim: Sommerseminar des Theoriearbeitskreises Alternative Ökonomie. Info: TAK AÖ, Andrea Gerth, Löwenstr. 8, 68259 Mannheim
28.7.-2.8.96, Tüschau Interkulturelle Woche - Praktische Argumente gegen Ausländerfeindlichkeit Info: AG SPAK oder Wolf-Dieter Klein, Tel. 0421-701078
6.-11.8.96, Nahrendorf-Breese (Lüneburger Heide) Sommercircus - Drei Welten treffen aufeinander. Zunehmende Armut in Deutschland einerseits - anderseits Menschen, die nach Deutschland kommen, um ihr nacktes Leben zu retten.
Statt Vorurteilen, Neid und Mißgunst zu schüren, friedlich miteinander Circus machen! Info: AG SPAK,
Die SEMINARVORSCHAU der AG SPAK 96 erscheint dieser Tage - bitte anfordern bei: AG SPAK, Thomas Bacher, Brückenstr. 5, 86153 Augsburg,
Hinweise - Tips:
* Wider die Resignation - heißt die besonders interessante Dokumentation eines Fortbildungsprojekts im Bereich Interkulturelles Lernen/Entwicklungspolitische Bildung. Modellprojekt in Trägerschaft der DEAE von Mai 1993 bis Januar 1995. Infos: Evang. Erwachsenenbildung Niedersachsen, Archivstr. 3, 30169 Hannover
* Dann - und wann? Heißt ein Theaterstück von TeilnehmerInnen der Hamburger Erwachsenen-Bildung: "Vielleicht betrittst du eines Tages deinen Speicher, entblößt bis auf das Kleid deiner Kindheit. Du klopfst den Staub der Jahre von den Kisten und öffnest sie. Du betrachtest die Bilder, in die du deine Wirklichkeit gelegt hattest, damit sie darin verschwinde..."
* Uirapuru - Centro de Formacao Indígena e.V. Gellener Str. 5, 26931 Elsfleth/Gellen bittet um einen Hinweis auf ihre Foto-Ausstellung über die Situation der indigenen Völker in Rondonia (Brasilien). Bei Interesse, bitte sich direkt mit Uirapuru in Verbindung setzen.
* Madiha "Widerstand eines Volkes. * Eine Hoffnung für die Welt.
Eine Ausstellung der Georg Christoph Lichtenberg Gesamtschule Göttingen. Die Ausstellung zeigt Bilder aus dem Leben der Kulina-Indianer im brasilianischen Regenwald. Seit Jahren kämpfen sie für die Erhaltung ihres Gebietes. Vor einiger Zeit haben sie angefangen, ihr Territorium selbst zu vermessen und die Grenzen zu markieren...78 Bildtafeln auf 13 Stdellwänden. Nähere Auskunft: Wilhelm Behrendt, Am Weißen Steine 16, 37085 Göttingen.
* Das Burckhardthaus Berlin/Gelnhausen hat das neue Fort- und Weiterbildungsprogramm für 1996 herausgebracht. Es geht u.a. um erfahrungsbezogene Arbeit mit Jugendlichen - soziale Arbeit in Gemeinde und Gemeinwesen, etc. Anfragen: Burckhardthaus, Frau Naumann, Herzbachweg 2, 63571 Gelnhausen.
* Das mehrfach prämierte Kinderbuch "Aufstand der Tiere oder Die neuen Stadtmusikanten" des Autorentems Jörg Steiner und Jörg Möller ist verfilmt worden.( 25 Minuten, Farbe Video-VHS)- "Lange hat die Eule als Verkaufsmaskottchen für Uhu-Sonnenbrillen gedient, doch der kluge Vogel will sich nicht länger ausbeuten lassen. Sie sucht weitere Leidensgenossen als Verbündete: Den Panda, Symbol für Umweltideen, das Sportpullover-Krokodil... Doch seit den Bremer Stadtmusikanten hat sich in der Welt vieles verändert... Informationen: Matthias-Film, Gänsheidestr. 67, 70184 Stuttgart, Fax: 0711/2361254.
* Raff Carmen (School of Education: Centre for Adult and Higher Education - The University of Manchester) - England hat das Coruse Handbook 1996 zugeschickt:M. Ed in Adult Education & Literacy for Rural Social & Commununity Development.
Außerdem hat er das Buch "Autonomous Development, Humanizing the Landscape: An Excursion into Radical Thinking and Pratice veröffentlicht. ZED Books, Ltd. 7 Cyndhia Street, London N 1 9JF, UK, Fax 0171/8333960.
* Terre des hommes hat eine Multivisions-Diaschau zum Thema "Indien erleben" erstellt. Der Fotograf Andreas Präve ist auf seiner Reise durch den Subkontinent faszinierenden Menschen begegnet. Ihre Geschichte fügt sich zu einem facettenreichen und oft widersprüchlichen Bild Indiens. Mit Hilfe von vier computergesteuerten Projektoren entsteht eine audivisuelle Komposition, die mehr ist als ein Diavortrag und nicht die Eile eines Films hat. Die Schau dauert 70 Minuten. Informationen: TdH, Bärbel Baum, Tel. 0541-7101168.
* Schulprojektstelle "Globales Lernen" eingerichtet.
Im Januar 95 hat die "Schulprojektstelle "Globales Lernen" ihre Arbeit aufgenommen, um u.a. die schulbezogene Bildungsarbeit von Brot für die Welt zu erweitern. Sie gibt z.B. den Rundbrief "Global lernen" - Service für LehrerInnen" heraus, der kostenlos bezogen werden kann bei: BfdW - Schulprojektstelle, Stafflenbergstr. 76, 70184 Stuttgart.
Rezensionen:
Paulo Freire: Pedagogia da Esperança - Um Reencontro com a Pedagogia do Oprimido. Rio de Janeiro: Paz e Terra, 1992.
Das Buch ist Ende 1992 erschienen und wurde, wie Freire selbst sagt, mit Wut und Liebe - die von der Hoffnung nicht zu trennen sind - geschrieben.1
In einem ersten Teil des Buches beschreibt Freire den Kontext der Entstehung der Pädagogik der Unterdrückten.
Er beginnt mit der Beschreibung von Erfahrungen, die er als leitender Mitarbeiter und später Direktor von SESI2 in Pernambuco machte, und wie diese Arbeit auch in der Entstehung der Pädagogik der Unterdrückten eine Rolle gespielt hat.
Danach berichtet er überraschenderweise nicht über seine Arbeit in der "Movimento de Cultura Popular" (Volksbildungsbewegung) in Pernambuco und den Erfolg der dortigen Alphabetisierungs- und Bewußtseinsarbeit, sondern macht einen Sprung und berichtet über seine Zeit im Exil.
Beeindruckend ist die Stelle (S. 32-35), an der Freire über die Schwierigkeiten der Exilierten, die in einem "geliehenen Kontext" leben müssen, berichtet. Die Erfahrungen aus der Vergangenheit und das Leben in der neue Umgebung stellen für den Exilierten einen ständigen Konflikt dar.
Sie haben Sehnsucht nach ihrer Heimat und ihren Menschen. Sie beginnen, den ursprünglichen Kontext zu verherrlichen, obwohl dies nicht immer der Wirklichkeit entspricht.
Wie kann ich mit meiner Sehnsucht umgehen, damit sie nicht zur Nostalgie wird? Wie erfinde ich neue Lebensformen, um im neuen Kontext zurecht zu kommen? fragt Freire und spricht damit von seine eigenen Erfahrungen als Exilierter!
"Na verdade, um dos sérios problemas do exilado ou exilada está em como lidar, de corpo inteiro, com sentimentos, desejos, razão, recordação, conhecimentos acumulados, visões de mundo, com a tensão entre o hoje sendo vivido na realidade de empréstimo e o ontem, no seu contexto de origem, de que chegou carregado de marcas fundamentais.
No fundo, como preservar sua identidade na relação entre a ocupação indispensável no novo contexto e a pré-ocupação em que o de origem deve constituir-se. Como lidar com a saudade sem permitir que ela vire nostalgia.
Como inventar novas formas de viver e de conviver numa cotidianiedade estranha, superando assim ou reorientando uma compreensível tendência do exilado ou da exilada de, não podendo deixar de tomar, pelo menos por largo tempo, seu contexto de origem como referência, considerá-lo sempre melhor do que o de empréstimo. Às vezes, é melhor mesmo, mas nem sempre o é.
No fundo, é muito difícil viver o exílio, conviver com todas as saudades diferentes - a da cidade, a do país, a das gentes, a de uma certa esquina, a da comida -, conviver com a saudade e educá-la também" (s. 34).
"Tatsächlich, eines der ernsten Probleme des Asylanten oder der Asylantin besteht in der Form wie er oder sie, voll vonn Engagement, Gefühlen, Wünschen, von Vernunft, Erinnerung, angesammeltem Wissen und Weltanschauungen, mit der Spannung zwischen dem Leben in der ausgeliehenen Wirklichkeit von heute und dem gestrigen im ursprünglichen Kontext, von dem er oder sie grundlegend markiert wurde, umgeht.
Das heißt die Frage stellen nach der Identitätsaufrechterhaltung in der Auseinandersetzung mit dem neuen Kontext und mit dem ursprünglichen. Wie kann man/frau mit der Sehnsucht fertig werden, ohne zu erlauben, daß sie zur Nostalgie verkommt.
Wie kann man/frau neue Formen des Lebens und Zusammenlebens in einer fremden Umwelt erfinden, und die verständliche Tendenz des Asylanten und der Asylantin, den ursprünglichen Kontext immer besser als den Geliehenen zu betrachten - da er/sie lange nicht in der Lage ohne den ursprünglichen Kontext als Referenz auskommen - überwinden. Manchmal war er wirklich besser, aber eben nicht immer.
Es ist wirklich schwierig im Exil zu leben, mit verschiedenen Sehnsüchten immer im Kopf zu leben - die aus der Stadt, vom Land, von Leuten, einer bestimmten Straßenecke, eines bestimmten Essens - zu leben mit der Sehnsucht, sie nicht dominant werden zu lassen, sie quasi erziehen."
Die Beschreibung seiner ersten Exiljahre erfolgt nicht in chronologischer Reihenfolge. Freire erwähnt bestimmte Situationen, Begegnungen und Erfahrungen, die für die Entstehung der Pädagogik der Unterdrückten wichtig waren.
Hier wird am deutlichsten die Tendenz zu einer Art Memoirenband sichtbar.
In einem zweiten Teil des Buches kritisiert Freire (manchmal sehr heftig) diejenigen, die ihn kritisiert oder nicht "richtig interpretiert haben."
Hier äußert er seine Empörung über viele Behauptungen und Interpretationen, die über ihn und seine Werke - insbesondere die Pädagogik der Unterdrückten, geschrieben wurden.
Einige Diplomarbeiten, Dissertationen, Büchern, u.a.3 die sich mit seiner Theorie und Praxis beschäftigt haben, mißachteten zwei wesentliche Aspekte:
"1) Daß ich noch nicht gestorben bin 2) daß ich nicht nur die Pädagogik der Unterdrückten, und schon gar nicht nur Erziehung als Praxis der Freiheit, geschrieben habe." 4
Mir ist nicht klar geworden, warum Freire sich in diesem Buch gegenüber denjenigen, die ihn kritisiert haben, zu rechtfertigen versucht.
Andererseits finde ich, daß diese Kritiken uns zum Nachdenken und zum Überlegen veranlassen, was aus 20 Jahren Pädagogik der Unterdrückten und politischer Bewußtseinsarbeit weltweit wurde.
Diese Kritik wird auch an die Educación Popular in Lateinamerika gerichtet. Francisco Gutiérrez sagte in einem Gespräch,5 daß die Educación Popular die Pädagogik der Unterdrückten für ihre politische Arbeit benutzt hat und weniger für die pädagogische Arbeit.
Er sprach auch davon, daß es für die Educación Popular notwendig wäre, eine neue Studie über die Pädagogik der Unterdrückten zu machen, diesmal unter pädagogische Perspektive. Für eine neue Analyse der Pädagogik der Unterdrückten halte ich die Lektüre des Buches Pädagogik der Hoffnung auf jeden Fall für sinnvoll.
In einem dritten Teil des Buches schreibt Paulo Freire über seine Arbeit und Erfahrungen auf der ganzen Welt, insbesondere in Afrika, Europa und USA.
Hier spricht er von verschiedenen Gruppen und Personen, denen er begegnet ist. Es werden mehrere Personen, Gruppen und Organisationen erwähnt, die Paulo Freire in unterschiedlichen Zusammenhängen kennenlernte.
In diesen Teil versucht Freire die verschiedenen Gruppen, Kulturen und Kontexte, die die Pädagogik der Unterdrückten in ihrer Arbeit einsetzten, zu beschreiben.
Als ich das Buch kaufte, dachte ich (wahrscheinlich wie viele andere), daß Freire in diesem Buch neue theoretische Grundlagen zu Pädagogik der Unterdrückten entwickeln würde und hatte die Vorstellung, daß dieses Buch eine "aktualisierte" und "revidierte" Fassung von Pädagogik der Unterdrückten wäre.
Obwohl es sich nicht um eine neue Version des Buchs von Pädagogik der Unterdrückten handelt, finde ich die Lektüre empfehlenswert, vor allem den Teil, in dem Freire eine Kritik an seinen Kritikern übt. Wivian Weller
Studentin im Fachbereich Erziehungswissenschaft an der FU Berlin. Zur Zeit schreibe ich meine Magisterarbeit über "Analphabetismus von Migranten in brasilianischen Metropolen.
Latinoamericana 96
Lateinamerika-Kalender - span. und deutsch. Wichtig sind die inhaltlichen Beiträge von z.B. Pedro Casaldáliga: Die andere Globalisierung; von Mario Benedetti.
Der Elefant mit dem guten Gedächtnis; von Maria López V.: Analyse der politischen Situation in Lateinamerika; von Eduardo Galeano: Worte um das Vergessen zu vergessen; Jose I. Gonzales-Faust: Verteidigung des Drogenhandels... Zur Erinnerung wichtiger Ereignisse, und Personen dienen die Hinweise an den entsprechenden Tagen.
Ein interessantes Tagebuch und mehr: Ein Kalender, ein Almanach des lateinamerikanischen Geistes. Erhältlich bei: Newcomer Verlag, U. Schmidt, Falkenhäuser Weg 29, 99087 Erfurt. (Heinz Schulze)
Manfred Liebel
Wir sind die Gegenwart
Kinderarbeit und Kinderbewegungen in Lateinamerika.
Manfred Liebel unterbrach seine Universitätsarbeit, um sich in Nicaragua als Projektberater und praktizierender Pädagoge auf die sog. Straßenkinder einzulassen.
Das vorliegende Buch trägt dazu in erheblichem Maße bei, daß wir hier - über Projektberichte hinweg - einen intensiven Einblick in die Kinderbewegungen bekommen können.
"Mit den Bewegungen der arbeitenden und Straßenkinder entsteht und manifestiert sich nicht weniger als eine neue Kultur und Lebensform von Kindheit.
Sie bricht mit den bisher üblichen Vorstellungen und Praktiken, über Kinder nach Gutdünken zu verfügen oder sie nur als zu beschützende und zu versorgende Wesen zu behandeln, deren einzige Aufgabe darin bestehe, sich auf die Zukunft vorbereiten zu lassen."
Wichtige Kapitel - und keine Wortklauberei - sind die einführenden, wo es um Konzepte zu "Straßenkinder" und "arbeitende Kinder" geht und für ein umfassendes Verständnis der Kinderarbeit geworben wird.
Einzelne Bewegungen der arbeitenden Kinder werden vorgestellt wie: Manthoc (Peru), Mov. Nacional de Meninos e Mininas da Rua (Brasilien), Bewegung der arbeitenden Kinder in Nicaragua und auf die (neue) Rolle von erwachsenen in Kinderbewegungen eingegangen.
Besonders wichtig ist auch der Teil "für eine Pädagogik sozialer Bewegung".
Für alle, die an Fragen der Kindersituation interessiert sind, ist dieses Buch eine wichtige Quelle, für Alle, die mit Kindern in schwierigen Situationen tätig sind, ist das Buch absolut wichtig, um neue Anregungen zu bekommen.
IKO-Verlag, Postfach 900421, 60444 Frankfurt/M.
(Heinz Schulze)
Hilfe für Amajambere
Ein Freeware-Programm vom BMZE. Na, das kann ja was sein: Entwicklungshilfe auf lustig und so. Ha.Ha. So meine erste Reaktion, als ich die Diskette des Computerspiels "Hilfe für Amajambere" sah.
Natürlich klappte das installieren nicht gleich beim ersten mal, und bis das Spiel endlich lief, war ich schon ziemlich genervt. Um so mehr war ich dann positiv überrascht, als ich eine klare, nachvollziehbare Spiel-Vorgeschichte über den Bildschirm vermittelt bekam.
Und die Klarheit bleibt auch das ganze Spiel über. Zwischen den Figuren, fein abgestimmte Dialoge, die aber keineswegs verharmlosen, sondern die Probleme klar vermitteln. Etwas schwierig war Anfangs zu erraten, welchen nächsten Schritt ich in der Rolle des Entwicklungshelfers zu tun habe. Entscheidungsfreiheit hat man kaum:
Was, wo und wann zu tun sei, wird Großteils vorgegeben, aber nicht immer unbedingt vermittelt. Ausprobieren ist dann angesagt, denn falsch machen kann man sowieso nichts.
Meiner Meinung nach vermittelt dieses Spiel sehr gut einen Teil der Schwierigkeiten in der Entwicklungszusammen-arbeit. Dies mit Spiellust zu verbinden ist nicht ganz gelungen, und ohne gute Computer-Grundkenntnisse wird die Programmhandhabe schwierig bis unmöglich.
Adresse für den kostenlosen Bezug: BMZE, Ref. Presse und Öffentlichkeitsarbeit Stichwort Amajabrere. Friedrich-Ebert-Allee 40, 53113 Bonn.
(Christian Haas, Holzwinden 22, 4221 Steyregg)
Flavia Mädche
Kann Lernen wirklich Freude machen?
- Der Dialog in der Erziehungskonzeption von Paulo Freire -
AG SPAK-Bücher (in Kooperation mit der PFG), München, 1995
"Freude machen" kann schon das Lesen des Buches von Flavia Mädche. Es erwartet den Leser eine gute Gliederung des Stoffes in 4 Kapiteln. Jedes Kapitel bietet einen allgemein gehaltenen Einstieg, der des Lesers Interese zu wecken vermag.
Dann folgen gut verständliche Ausführungen, die in die Tiefe führen. Praktische Beispiele, Schaubilder und Anmerkungen am Schluß konkretisieren das Gesagte.
Was intendiert die Autorin mit ihrem Buch? Sie möchte Paulo Freires Erziehungskonzeption und speziell "den Dialog in dessen Erziehungskonzeption" im deutschsprachigen Raum zur Diskussion stellen.
Mädche bedauert, daß nur die Alphabetisierungsarbeit für Erwachsene von Freire internationale Beachtung gefunden hat. Seinem gesamtpädagogischen Konzept dagegen habe man wenig Anerkennung geschenkt.
Über eine ausführliche Schilderung des geschichtlichen Hintergrundes werden wir von der Entdeckung und Eroberung Brasiliens über die Kolonialzeit, das Kaiserreich und die Republik zur modernen brasilianischen Gesellschaft geführt.
Diese hat sich wie in vielen anderen auch in der Pädagogik an europäischen Verhältnisen orientiert. Bildungsmäßig wurde so in Brasilien nur die Oberschicht erfaßt. Das Volk konnte sich die Schule nicht leisten, auch wenn in der 2. Amtszeit von Getulio Vargas (1950-54) die Schulgeldfreiheit eingeführt wurde.
Um diese Zeit etwa beginnt Freire seine Erziehungs-und Bildungsmethode zu entwickeln. Selbst aus dem gehobenen Mittelstand kommend, lernte er durch den frühen Tod des Vaters die Armut kennen.
Er studierte Jura, Philosophie und Pädagogik, war in der katholischen Laienbewegung tätig, hatte enge Beziehungen zur Gewerkschaft und wurde Direktor des Servicio Social da Industria (Sozialdienst der Industrie). So hatte er Kontakt zu Intelektuellen und sozialen Gruppierungen der Elendsviertel.
Am Anfang seiner pädagogischen Arbeit stand die Frage: Welche Verbindung gibt es zwischen der Schule und dem Lebensalltag der Arbeiter?
Sein Ziel war die Armut der Bevölkerung wahrzunehmen und diese dann zu beseitigen. LERNEN beginnt mit der WAHRNEHMUNG, die Wahrnehmung setzt sich im DIALOG fort. So begann er die ALPHABETISIERUNG der Arbeiter mit dem Gespräch, dem Dialog.
Das Umfeld ihres Lebens sollte den Arbeitern bewußt werden. Es war zu benennen: Armut, Hunger, Kinderarbeit, Kleidung, Wohnverhältnisse, Gesundheit, Krankheit...
Darüber wurde gesprochen. Die Verhältnisse wurden kritisch hinterfragt und überlegt, wie man sie verändern könnte.
So lernten die Lernenden ihre Umwelt begreifen, zu ihr zu stehen, ihr Schweigen zu überwinden, ihre Identität zu entdecken und zu ERKENNEN, daß sie nicht OBJEKT des Staates, des Gutsherrn, des Fabrikbesitzers waren, sondern SUBJEKTE, Individuen, die Teil der Welt sind. Individuen, die fähig sind, die Welt humaner zu gestalten. Erst dann ging Freire dazu über, wichtige Begriffe des täglichen Lebens mit Buchstaben schreibend und lesend zu erfassen.
Die Verhältnisse ändern kann keiner alleine. Die Öffnung zum MITMENSCHEN - wie schon im Dialog erfahren - ist wichtig.
Sie bereichert jeden einzelnen, macht sehend, denn es gibt viele Sichtweisen, die Welt zu sehen und zu beurteilen. Der Mensch erkennt den anderen als gleichberechtigt, gleichwertig. Dieses Phänomen bezeichnet Freire als INTERSUBJEKTIVITÄT.
Nur mit anderen zusammen ist es möglich, die Unmenschlichkeit (z.B. das Los der Industrie- oder Landarbeiter) die sich in UNTERDRÜCKUNG zeigt, zu überwinden. "Unterdrückung... ist dort, wo Menschen das Recht auf eigene Lebensgestaltung und Mitbestimmung verwehrt wird." (S. 239, Anm. 42).
So kann Freire sagen: Es ist nötig, "soziale, politische und wirtschaftliche Widersprüche zu begreifen und... Maßnahmen gegen die unterdrückerischen Verhältnisse der Wirklichkeit zu ergreifen" (S. 126).
Lernen heißt für ihn: Wahrnehmen, Erkennen und Lösungsmöglichkeiten zur Veränderung der Welt suchen.
Nicht zuletzt ist für ihn die BEZIEHUNG DES MENSCHEN ZUR WELT wichtig. Sie wahrzunehmen, zu erkunden, in ihr zu handeln, schöpferisch tätig zu werden, sie zu verändern und damit KULTUR zu schaffen, ist eine Aufgabe des Menschen.
Aus Schülerbeobachtungen und -berichten wird "die Lust und Freude" an dieser Art des Lernens deutlich, steht doch der Lernende selbst mit seinem Umfeld mitten im Lernprozeß und sieht die Möglichkeit, seinen Teil zur Gestaltung einer humaneren Welt beizutragen.
Wie praktikabel ist dieses pädagogische Konzept für uns in Deutschland? Ein paar kritische Anmerkungen seien erlaubt:
Für den schulischen Alltag wäre es ohne wesentliche Veränderungen nicht durchführbar. Zu denken ist an die Stundenpläne mit 45-Minuten-Einheiten, die Klassengrößen von durchschnittlich 30 Schülern, den Zuschnitt der Klassenräume, der eine Sitzordnung nicht erlaubt, bei der jeder jeden sehen könnte.
Die Methode würde zudem - in jedem Fach und von jedem Lehrer durchgeführt - nach einer gewissen Zeit an Attraktivität an "Lust und Freude" verlieren, wenn nämlich jeder jeden mit seinen Problemen und seiner Denkweise erfaßt hätte.
Für die schulische Sondersituation dagegen, z.B. für Projektwochen und Arbeitsgemeinschaften oder für die gesamte Fortbildungsarbeit für Jugendliche und Erwachsene könnte Freires Methode helfen, uns unsere gegenwärtige gesellschaftliche Situation bewußter zu machen.
Die Methode der Themenzentrierten Interaktion (TZI), die in die gleiche Richtung weist, hat sich bewährt. Hier spielt der Selbstfindungsprozeß eine zentrale Rolle.
Freires Anliegen scheint mir umfassender zu sein in bezug auf den Mitmenschen, die Welt und die politische Komponente, nämlich eine selbst mitzugestaltende Zukunft.
(In: Brasilien-Rundbrief 4/95, Freiburg)
Inge Ruth Marcus, Trudi und Heinz Schulze
GLOBALES LERNEN
Projekte, Prozesse, Perspektiven
(AG SPAK-Bücher - in Kooperation mit der PFG)
In dem leider etwas zu lang geratenen Vorwort macht Prof. Dr. Hans-Georg Hofmann deutlich, worum es in diesem Materialienband geht: Neue Formen des Lehrens und Lernens sind angesagt... Globalisierung unseres Lebens bewirkt Umbildung unseres Alltags.
Das bedeutet, daß Lehren und Lernen heute verlangt, die Jugend darauf vorzubereiten, sowohl in der lokalen als auch in der globalen Dimension verantwortlich zu handeln und Einstellungen zu entsagen, die individuelle Freiheit ohne jegliche Verpflichtung gegenüber den anderen verfolgen. (Seite 8).
Hierbei spricht Hofmann von Erfahrungspädagogik, die einen ganzheitlichen Bildungsanspruch hat. Im Sinne Pestalozzis berühmter Trias "Kopf-Herz-Verstand" sollen die menschlichen Wesenskräfte ganzheitlich entfaltet werden.
Globales Lernen geht noch einen Schritt weiter, indem im Sinne Paulo Freires "Bildung als Weg der eigenen Befreiung" angesehen wird.
Nicht das "Bankierskonzept", bei dem der Lehrer Kapital anlegt, ohne die Interessen der Betroffenen zu berücksichtigen, nicht eine fächerorientierte Wissensvermittlung kann der richtige Weg sein.
Wir müssen vielmehr lernen, unsere Interessen berührende Fragen zu stellen, anstatt ständig gedrillt zu werden, auf Fragen zu antworten, die wir nicht gestellt haben. Statt monokausales Denken zu pflegen, muß Lernen in Zusammenhängen Ziel der Bildung werden...
Beim Problemlösungsansatz müssen wir lernen, daß so verstandene Bildung notwenigerweise dialogisch, demokratisch und partizipativ ist. (S. 11).
Globales Lernen versteht sich daher als offener Unterricht, der Selbständigkeit und Selbstverantwortung im Lernen als wesentliche Bestandteile in den Mittelpunkt stellt und neue Formen projektorientierter Entwicklungspädagogik ausprobiert.
Die auszuwählenden Situationsbezüge knüpfen an die schulischen und außerschulischen Interessen der Schüler und Schülerinnen an und vermögen gleichzeitig, sie dazu anzuregen, über ihre bisherigen Begrenzungen hinaus zu gehen, Fernes und Fremdes über den Weg der Simulation und Identitikation in Nahes und Bekanntes zu verwandeln und Weltoffenheit zu einer persönlichen und gemein-schaftlichen Erfahrung zu machen. (Seite 15)
In einem zweiten Vorwort stellt Christian Graf-Zumsteg vom "Forum Schule für EINE Welt" Globales Lernen in direkten Zusammenhang zur interkulturellen Erziehung: "Das Globale Lernen stellt demgegenüber die gesellschaftlichen, sozialen und auch politischen Zusammenhänge ins Zentrum und versucht, ein aktives Bewußtsein für strukturelle Ähnlichkeiten, für Ungleichheit und Ungerechtigkeit zu wecken" (Seite 18).
Die folgenden vier Leitideen chrakterisieren Globales Lernen
* Bildungshorizont erweitern
* Identität reflektieren - Kommunikation verbessern
* Lebensstil überdenken
* Verbindung von lokal und global - lernen handelnd gestalten.
... Soweit die einführenden, mehr theoretischen Überlegungen. Im Einzelnen werden im vorliegenden Materialband folgende Projekte bzw. Vorhaben vorgestellt:
* Die Bausteinmethode "Zu Gast bei Familie Sanchez-Gonzales"
* Das Planspiel - eine Form des Erfahrungslernens: Schlau sein wie die Füchse, um zu überleben", "Atlantika - Insel der Zuflucht", "Das Gold von Cajamarca"
* Ein Beispiel für nord-süd-übergreifendes Lernen: "Das Wasser vom nördlichen Dorf"
* Spiele - Collagen - Bilder - Texte...
Leider reicht der hier zur Verfügung stehende Platz nicht aus, um auf alle diese Vorhaben näher einzugehen. Sehr beeindruckt haben mich die Beiträge von Inge R. Marcus.
Sowohl die Bausteinmethode "Zu Gast bei Familie Sanchez-G." als auch die erwähnten Planspiele sind sehr durchdacht. Dies gilt in gleichem Maße für Vorüberlegungen, Durchführung und anschließender Auswertung.
Bei der Bausteinmethode kann der Lehrende je nach Zielrichtung und Eigenschaften der Lerngruppe ein individuelles flexibles Konzept für das zu verwirklichende Projekt zugrunde legen.
Erläuterungen, Rollenbeschreibungen und Arbeitsaufträge sind klar verständlich formuliert, gut strukturiert und einfallsreich. Es entsteht in keinem Moment der Eindruck einer gekünstelten oder gestellten Atmosphäre...
Beim Studium der Projektunterlagen habe ich es förmlich bedauert, nicht in diesem Moment selbst an einem solchen Projekt teilnehmen zu können.
Die Ausarbeitung ist so überzeugend, daß es einfach Freude macht, die Unterlagen durchzulesen... Wenn auch die anderen Beiträge des Materialienbandes kürzer gefaßt sind, so bringen sie doch eine Reihe interessanter Ideen, die sich lohnen, in der Bildungsarbeit auszuprobieren.
Fazit: Ich möchte die vorliegende Materialiensammlung sehr empfehlen.
Sie entspricht in weiten Bereichen den eingangs aufgeführten Überlegungen zum Globalen Lernen.
Die AutorInnen beweisen, daß es möglich ist, theoretische Ansätze ganzheitlichen, fächerübergreifenden, projekt- und handlungsorientierten Lernens in die Praxis umzusetzen.
Zu gleicher Zeit setzen sie Maßstäbe für andere.
(Hermann Herf, Lehrer, Bielefeld).
1 Vgl. S. 12.
2Serviço Social da Indústria
3Die Zahl der Werke über Paulo Freire ist unübersichtlich. Das Paulo-Freire-Institut in São Paulo erarbeitet z.Z. eine neue Bibliographie, die die gesamten Publikationen von und über Paulo Freire aktualisieren soll und die bisher erschienenen drei Biografien (!) enthalten wird.
4 Zit. S. 89.
5 Im Juli 1994 nahm ich an einem Seminar von Francisco Gutiérrez in Costa Rica teil. Über die Ansätze der Pädagogik der Kommunikation des o.g. Autors kenne ich in deutscher Sprache nur eine Magisterarbeit von Anja Voß und eine Diplomarbeit von Anja Fischer, beide aus der FU-Berlin, FB Erziehungswissenschaft.
Zeitschriftenschau
ila Nr. 190, November 1995:
Schwerpunkt: Ecuador. Wer zählt die Kosten des Krieges/Indikatoren von Armut und Reichtum in Ecuador/ Der Boom der Bananenindustrie ... Bezug: Informationsstelle Lateinamerika, Oscar-Romero-Haus, 53111 Bonn
ila Nr. 191, Dezember 1995
Schwerpunkt: Eine Welt Wirtschaft. Bezug s.o.
Forum entwicklungspolitischer Aktionsgruppen: Nr. 196/95
Schwerpunktthema: Sexualität, Macht, Lust. Sex ist out/Zum Klischee von der Asiatin/Frauentourismus am Beispiel Kenias ... Bezug: Forum c/o Eine Welt Haus Buchtstr. 14/15, 28195 Bremen
Die Brücke: Nr. 86, Nov.-Dez. 95/96
Schwerpunkt: Menschenrechte. Aus dem Inhalt: Internationale Liga für Menschenrechte, Möglichkeiten und Grenzen einer Antidiskriminierungsgesetzgebung, Sozialarbeitermentalität für gerechten Krieg... Bezug: Die Brücke, Riottestr. 16, 66123 Saarbrücken.
Bolivia - Juli-Oktober 95
Aus dem Inhalt: Neue Wortschöpfung für das Narco-Wörterbuch: Die Geschichte vom Narcoavión; 40 Anti-Drogeninstitutionen befinden sich in Bolivien; die Ziele der Coca-Ausrottung sind nicht erreichbar... Bezug: Bolivia, Kottbusser Damm 101, 10967 Berlin
Rundbrief Flüchtlingshilfe Mittelamerika e.V. Nr. 3-4 Okt. 95
Schwerpunktthema: Aktuelle Landprobleme, Nachrichten aus den Gemeinden in El Salvador... Bezug: Flüchtlingshilfe Mittelamerika, Oberstr. 30, 47533 Kleve.
Terre des Femmes 3/95
Aus dem Inhalt: China: Die 4. Weltfrauenkonferenz - Bericht und Analyse - Frauen der Welt... Bezug: Terre des Femmes e.V., Postfach 2365, 72105 Tübingen.
Blätter des iz3W, Nr. 209 - November 1995
Aus dem Inhalt: Ethnizität und Identitätspolitik. Seit Begriffe wie "ethnische Konflikte" oder "ethnische Säuberung" in den Schlagzeilen sind, ist "Ethnie" zu einem festen, kaum in Frage gestellten Bestandteil des journalistischen mainstream geworden... Bezug: Informationsstelle Dritte Welt, Postfach 5328, 79020 Freiburg/B.
Quetzal, Magazin für Politik und Kultur in Lateinamerika - Nr. 12/13, Herbst 1995
Hundert Jahre Einsamkeit? Literatur in Lateinamerika. Bezug: Quetzal, Dritte-Welt-Zentrum Leipzig e.V., Bernhard Göring Str. 152, 04277 Leipzig.
Relaciones Nr. 3.
Schwerpunkt: Vielfalt statt Einfalt... Bezug: VEN, Bahnhofstr. 16, 49406 Barnstorf.
Solidaridad Nr. 180, Sept./Okt. 95
Schwerpunkt: Sustainable destrution - Nachhaltige Zerstörung - Mitsubushi in den Wäldern, Hoechst auf den Feldern... Bezug: Kath. StudentInnengemeinde, Frauenstr. 3-7, 48143 Münster.
Solidaridad Nr. 181, Nov./Dez.
Schwerpunkt: Die Herrschaft der Ökonomie oder die Krise der Menschlichkeit. Bezug s.o.
Brasilien-Rundbrief 4/95 - Projektvorstellungen.
Standortbestimmung der Brasilieninitiative - Interview mit Leonardo Boff, Frauen-Kinder-Ausbildung, Indigene Völker, ländliche Entwicklung... Bezug: Brasilien Initiative Freiburg e.V., Hauptstr. 57, 79356 Eichstetten.
25 Jahre AG SPAK - Perspektiven sozialpolitischer Arbeit in den nächsten 25 Jahren: Wie alternativ ist die alternative Ökonomie... Nichts bleibt so wie es ist... Bezug: AG SPAK, Adlzreiterstr. 23, 80337 München
Unbequem - Die Zeitung der BAG Kritischer PolizistInnen und Polizisten Nr. 24 - Dez. 95
Schwerpunktthema: Neuorganisation der Polizei, Deutsche Polizeihilfe, Die Polizei und Folter, Der Lauscher an der Wand... Bezug: GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln.
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